Vertreibung als Zäsur im religiös-kulturellen Leben der ungarndeutschen Gemeinde Budaörs/Wudersch?
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Die Arbeit befasst sich mit der Frage, inwieweit und warum sich die Vertreibung der deutschsprachigen bzw. -stämmigen Bevölkerung aus Ungarn, die 1946 in Budaörs /Wudersch begann, als historische Zäsur in der Gestaltung der dortigen Fronleichnamstraditionen durchsetzte. Wissenschaftliche Arbeiten, zumeist verfasst von Budaörser Ortshistorikern und Ortshistorikerinnen, behaupten, die Vertreibung hätte unmittelbar zur Änderung der Festgestaltung der vermeintlich 300 Jahre alten Budaörser Tradition des Blumenteppichlegens an Fronleichnam geführt. Beschreibungen des Festes in der heutigen Form beziehen sich auf die Vertreibung als die Zäsur, die zur Verkürzung des Prozessionsweges führte, welcher nun nur mehr um die Kirche herum führen durfte. In der vorliegenden Arbeit wird die Vertreibung 1946 als einzig mögliche Zäsur in der Festgestaltung hinterfragt. Dies geschieht aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Wesen und den Charakteristika von historischen Zäsuren und der Analyse der lokalen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Budaörs in den Kriegsjahren. Um diese Entwicklungen auf lokaler Ebene in Budaörs nachzuvollziehen, wird in der Arbeit auf die Rolle von Kardinal József Mindszenty und der katholischen Kirche in Ungarn in den Jahren 1945–1949 eingegangen. Nach der theoretischen Auseinandersetzung mit Alben und ihrer identitätsstiftenden Funktion wird ein bisher zur Forschung nicht herangezogenes Quellenmaterial, ein Album im Erzbischöflichen Archiv in Esztergom /Gran, vorgestellt und analysiert. Das Kardinal Mindszenty 1948 anlässlich der von ihm durchgeführten Firmung in Budaörs zum Geschenk gemachte Album mit Fotos dieses Ereignisses und der lokalen Fronleichnamstradition zeugt davon, dass die Vertreibung nicht unmittelbar zur Veränderung des Prozessionsweges führte. Die Veränderungen in der Brauchgestaltung sind vielmehr als Folgen einer langjährigen Umwälzungs- und Anpassungsperiode an die politischen und sozialen Gegebenheiten zu verstehen, mitunter der sukzessiven Verfolgung der katholischen Kirche, die in der Festnahme von Mindszenty im Jahr 1948 mündete.
The expulsion of the German minority in Hungary at the end of World War II started on the 19th of January 1946 in the small village Budaörs/Wudersch close to the capital Budapest. The village has become well-known in the interwar period for its flower carpets prepared for the feast Corpus Christi, made by its German-speaking population until over 90% of the inhabitants were forced to leave the country for the American occupation zone of Germany, a moment that has been long established as the historical turning point in the history and culture of the German minority in Hungary. The expulsion thus divides the tradition of making flower carpets for Corpus Christi into two eras. Previous research has often struggled with connecting these two eras with each other, when analyzing the development of the feast. The main goal of the research paper is to describe the situation of the Catholic Church in Hungary in the times of transition to Socialism, both on national and local level and to deconstruct the idea of the year 1946 being the one and only possible turning point when considering the changes in the tradition. A newly found source in the Esztergom Primatial Archives, an album with photos taken of the flower carpet in 1948, a present made for Cardinal Mindszenty, shows that the route of the procession has stayed the same, although changes in the number of observants and the lack of women wearing the traditional costume of Budaörs can be observed. These findings demonstrate a continuity of tradition and village life, straddling the supposed divide, and hence suggest a re-interpretation of the feast’s significance as demonstration of the catholic inhabitants’ resistance to the slowly establishing soviet system.