Die Briefform im 18. Jahrhundert
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Das Briefschreiben gehört heutzutage nicht zu den Lieblingstätigkeiten, es ist aber eines der wichtigsten Mittel in der Vermittlung der Informationen. Es gibt Epochen, in denen das Briefschreiben von gröβerer Bedeutung ist, als in anderen. Die neuerliche Erscheinung der Briefform im 18. Jahrhundert bringt das Interesse für Zeiten mit, in denen der Brief eine wichtige Rolle gespielt hat. Meine Diplomarbeit behandelt auch die Briefform und die Gewohnheiten des Briefschreibens im 18. Jahrhundert. Um aber es verstehen zu können, muss man sich zuerst auch mit der Eigentümlichkeiten der früheren Epochen bekannt machen. Deshalb biete ich am Anfang meiner Diplomarbeit einen kleinen Überblick darüber, wann, wie und in welcher Sprache die Briefe entstanden sind, wer sie geschrieben hat und wie der Brief zu einem literarischen Faktum entwickelt hat? Nach der kurzen Übersicht der Geschichte des Briefschreibens beginne ich, das Zeitalter von Goethe, also das 18. Jahrhundert aus der Sicht des Briefschreibens ausführlicher darzustellen. Das mache ich vor allem mit Hilfe von Goethe. Warum habe ich Goethe gewählt? Er ist eine der anerkannten Persönlichkeiten seiner Zeit. Er ist nicht nur ein groβer Dichter, dessen Gedichte, Erzählungen, Romane eine breitere Schicht mit groβer Freude liest. Er ist Minister und Geheimer Rat, also Mitglied des Staatsrats, so hat er groβen Einfluss beim Hof. Er führt mit den Groβen der Welt eine umfangreiche Korrespondenz. „Schreibe nur wie du reden würdest, und so wirst du einen guten Brief schreiben.“ Goethes Briefe sind auch Zeugnisse dieses Stils. Sie machen einen beträchtlichen Bestandteil seines Werkes aus, kennzeichnen den Entwicklungsgang seiner Person. Mit ihrer Hilfe vermag man Goethes Welt zu erschlieβen: das Erlebnis in Italien, die Begegnung mit Frau von Stein, die Zwiesprache mit Schiller. Sein Leben ist ein offenes Buch, trotzdem kann er sein Verhältnis zu Christiane Vulpius bis zu einer bestimmten Zeit verheimlichen. Sie ist von 1788 Goethes Lebensgefährtin, von 1806 seine Ehefrau. Sie ist ungebildet und stammt aus einer armen Familie. Das Schicksal der Beziehung von Goethe und Cristiane ist durch die erste Begegnung besiegelt. Cristiane bedeutet für ihn die Frau, die ihn ohne Berechnung, aus der Fülle ihrer Gefühle heraus liebt. Was andere Frauen nie zustande gebracht haben, kann sie ihm das schaffen – ihm eine Heimat geben.
Im weiteren Teil der Diplomarbeit gestatte ich in ihr gemeinsames Leben einen kleinen Einblick. Es ist für keine von ihnen leicht, diese neue Lebenssituation zu akzeptieren. Die Gesellschaft erleichtert auch nicht ihre Lage. Vor allem ist aber Cristiane das Opfer. Sie muss den Anfeindungen und Demütigungen ins Auge schauen. Man nimmt es auch dem groβen Mann, der von allen verehrt und bewundert wird, sehr übel, dass er sich zur Lebensgefährtin ein „ungebildetes Fabrikmädchen“ erwählt. Sie können sich nur aufeinander stützen. Sie haben 28 Jahre zusammen gelebt, in dieser Beziehung entstehen auch Briefe. Diese Briefe bilden den Grund dieser Diplomarbeit, sie sind sehr unvollständig erhalten. Trotz den Verlusten beläuft sich die Zahl der erhaltenen Briefe auf 601, 354 von Goethe, 247 von Christiane. Ihr Briefwechsel bildete und bildet noch heute einen guten Untersuchungsgegenstand für diejenigen, die sich für die Ehe von Goethe und die Persönlichkeit von Christiane Vulpius interessieren. Ihr Briefwechsel hat viele Ausgaben erlebt, während meiner Arbeit verwende ich die Ausgabe von 1956, die von Hans Gerhard Gräf zusammengestellt worden ist. Er hat erstmals im Jahre 1916 den gesamten Briefwechsel Goethes mit seiner Frau ediert, der uns erlaubt, in eine Liebesbeziehung Goethes auch aus der Sicht der liebenden Frau Einblick zu gewinnen. Ich habe einige Briefe ausgewählt, die ich gründlicher untersuchen und analysieren möchte. Dieses Korpus ist bestimmt nicht vollständig, kann nicht vollständig sein. Ich halte diese ausgewählten Briefe für geeignet dazu, dass sie uns darstellen, wie ihre Beziehung, ihre Alltage sind. Wir können mit Hilfe der Briefe erfahren, wie sie einander Liebe erklären, einander in den Briefen ansprechen, was Christianes Meinung über die ständigen Reisen von Goethe ist, wie ein Tag von Christiane aussieht, wie ihre Geheimsprache lautet. Diese Briefe gelten in der Literatur als Liebesbriefe. Christiane Vulpius spielt im Leben von Goethe eine wichtige Rolle. Er nimmt sie in sein Haus auf, sie leben jahrelang als Lebensgefährten zusammen, dann als Ehepaar. Goethe hat eine Frau, bald einen Sohn, die zu Hause nur auf ihn warten. In den Briefen an Christiane werden oft Liebesgeständnisse anvertraut, daneben aber kommt die Rede immer auf die häuslichen und familiären Aufgaben und Probleme. Die Briefe von seinen Reisen enthalten neben Bitten und Hinweisen zu privaten und häuslichen Regelungen auch Berichte aus der Kur, über seine Reiseerlebnisse. Ein groβer Teil meiner Diplomarbeit beschäftigt sich also mit diesen Briefen. Ich versuche, die behandelten Themen von den beiden Seiten – von der Seite Goethes und Christianes – darzustellen und ausführlich zu analysieren. Neben dem Inhalt der Briefe gehe ich auch auf ihre Briefsprache ein, sie trägt ja auch zum Stil der Briefe bei. Über das Schreiben denken sie anders. Das Schreiben setzt das ganze Leben von Goethe aus. Wir könnten glauben, dass es für ihn kein Problem ist, seiner Frau Briefe zu schreiben. Demgegenüber beginnt Goethe sehr früh, sich an das Diktieren zu gewöhnen. Christiane mag nicht schreiben, trotzdem tut sie es für den geliebten Mann. Das bedeutet für sie kein Problem, was sie in den Briefen mitteilen soll. 1806 heiraten sie, Christiane kann den ihr gebührenden Platz im Leben von Goethe einnehmen. Ich stelle am Ende meiner Diplomarbeit diesen Abschnitt ihres Lebens kurz dar. Ich glaube, sie wird so komplett, Christiane verdient es. Goethes Briefwechsel mit Christiane legt von der harmonischen Lebensgemeinschaft ebenso Zeugnis ab wie alle glaubwürdigen Berichte von Zeitgenossen: „Es freut uns, sie zu kennen, um über sie nach Verdienst zu urteilen und sie bei andern verteidigen zu können, da ihr unerhört viel Unrecht geschieht.“ Diese Beziehung hat nicht nur einen Sohn, sondern auch eine Menge von Briefen überliefert, die uns helfen, ihr Leben zu rekonstruieren. Man kann sagen, dass das Interesse nach Goethe, seinem Leben, seiner dichterischen Tätigkeit immer anwesend ist, „der groβe Dichter“ bietet auch noch heute einen Grund zu verschiedenen Zusammenstellungen, das wird nie anders.