1919 verschüttete Modell des multiethnischen Habsburgerstaates und dessen Entbergung nach 1989 für die Europäische Union
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Der Artikel geht auf die Frage ein, wie das alte Habsburgerreich unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg beschrieben worden ist: Im dem Großkompendium „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ wurde der Vielvölkerstaat als positives, kraftvolles und zukunftsweisendes Modell dargestellt. Nach dem I. Weltkrieg galt die Habsburgermonarchie in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung als morbides, innerlich zerstrittenes, von ethnischen Fliehkräften geschwächtes, funktionsuntüchtiges Staatsgebilde. Nach 1990 jedoch, und im Anschluss an die prominent gewordenen Schriften von Claudio Magris, insbesondere an sein „Donau“-Buch, hat der multiethnische Habsburgerstaat als kulturelles und auch als politisches Gebilde wieder Rehabilitation erfahren. Gerade nach 2004, also nach der Aufnahme der mittelosteuropäischen Länder in die Europäische Union, begegnet uns die positive, ästimierende Schilderung ethnischer Vielfalt als Vorbild wieder mehrfach. Ein in diesem Beitrag herangezogenes Beispiel dafür sind die Argumente, die die Auszeichnung der Banatstadt Temeswar als „Europäische Kulturhauptstadt“ unterstützt haben.
This article delineates the image of the Habsburg Empire in the 20 th century in order to analyse its current representation in historiography in the German language. Before the Great War, the comprehensive compendium „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ (The Austrian-Hungarian Monarchy in Word and Image) presented the old Habsburg Empire in a very positive light. According to the compendium, the strong and progressive multi-ethnic state served as a model for the institution of the nation state. After the Great War, the Habsburg Empire appears as a weak, even non-functional state in historiography in the German language. It is described as internally divided due to ethnic conflicts of interest. However, after 1990, following the publication of Claudio Magris’ renowned works, in particular his book on the river Danube, the image of the multi-ethnic Habsburg Empire as a culturally and politically dynamic actor has been reclaimed. After the enlargement of the European Union in 2004, the state’s multi-ethnic character has frequently been presented as a role model for European integration. To further illustrate this point, this article will examine the reasons for which Temeswar in the Banat was selected as European Capital of Culture.